50 Jahre VARIO

ROTOR im Gespräch mit VARIO-Firmeninhaberin Kirsten Zodtner

Die Firma VARIO ist eine Institution, wenn es um Scale-Modellhubschrauber geht. Aus dem Ein-Mann-Betrieb des Firmengründers Uli Streich, der seine Produkte zunächst nach dem Bauchladen-Prinzip anbot, ist ein international anerkanntes Unternehmen geworden. 2009 übergab Firmengründer Uli Streich das Ruder an Kirsten Zodtner. In diesem Jahr feiert VARIO nun sein 50-jähriges Bestehen. Anlässlich dieses Jubiläums sprachen wir mit Kirsten Zodtner.

Ein Blick zurück

Der Firmengründer Uli Streich tauchte Ende der 1980er Jahre auf den Modellflugplätzen auf. Uli war selbst begeisterter Teilnehmer an diversen Treffen und bot aus mitgebrachten Kisten Hubschrauberteile und Zubehör an, die teilweise aus Unzufriedenheit mit einigen technischen Lösungen des damaligen Heim-Systems entstanden waren. Aus dieser zunächst nebenberuflichen Tätigkeit entwickelte sich im Laufe der Jahre die Firma VARIO. Später wurde ein Grundstück mit Gebäude erworben und den Bedürfnissen entsprechend umgebaut. Die ersten Mitarbeiter wurden eingestellt, der erste Katalog entstand und die Erfolgsgeschichte rund um Sky Fox, Silence, X-perience, Benzin- und Turbinentrainer nahm ihren Lauf. Schon damals wurde der Bereich Scale intensiv ausgebaut und gepflegt; zahlreiche vorbildähnliche oder vorbildgetreue Modelle wurden angeboten – ausgelegt für die unterschiedlichsten Antriebe.

Von Anfang an legte Uli Streich besonderen Wert auf den Dialog mit den Kunden, auf langlebige Produktqualität und mechanische Präzision. Ein Leitgedanke, der bis heute besteht. 2009 erfolgte die Übergabe des Unternehmens an Kirsten Zodtner; Uli Streich zog sich in den Ruhestand zurück, um sich verstärkt seiner Leidenschaft, dem Fliegen (auch von großen Hubschraubern), zu widmen. 

Als Quereinsteigerin gelang es Kirsten Zodtner, das Unternehmen in vielen Bereichen zu modernisieren und umzubauen. Dazu gehörten nicht nur die Umstrukturierung von Lager, Versand und Entwicklung, sondern auch der Ausbau des internationalen Händlernetzes und des weltweiten Pilotenteams. Heute zählt VARIO Helicopter zu den Premiummarken im Scale-Modellbau und bedient nicht nur eingefleischte Scale-Piloten mit Zubehör und Komponenten für den Flugmodellbau

Interview

ROTOR: Eine Frage vorweg: Du hast das Unternehmen 2009 übernommen. Gab es in den vergangenen Jahren Momente, in denen du deine Entscheidung bereut hast? 
Kirsten:
Ich habe es keine Sekunde bereut. Das Thema ist unglaublich interessant und faszinie-rend, unsere Kunden sind mit unseren Produkten sehr zufrieden und ich bin stolz auf unsere Model- le. Alles funktioniert zuverlässig. In anspruchsvol- len Phasen, die man in einem Unternehmen immer einmal hat, ist es sicher auch mal weniger schön, aber ich habe es nie bereut.

ROTOR: Du bist jetzt seit 15 Jahren am Ruder. Was hat sich aus deiner Sicht bei VARIO verändert?Kirsten: Die wichtigste Veränderung war der Wechsel von 2D zu 3D bei unserer Software. Unsere größte Investition war Solidworks, das wir 2010 gekauft haben. Seitdem läuft die Produkt- entwicklung anders. Damit können wir auf Basis der 3D-Daten des Herstellers arbeiten. Viele Daten sind schon im Computer, bevor der Proto- typ überhaupt gebaut wird. Die Bauanleitungen werden entsprechend schneller fertiggestellt und ansprechender. Vor allem durch die Zusammen- arbeit mit den Herstellern Airbus und Bell, aber auch mit anderen Industriepartnern, ist viel Know-how hinzugekommen. Wenn man die Firma betritt, sieht man schon, dass der Showroom modernisiert wurde und das Lager jetzt eher eine Baumarktstruktur hat. Zudem gehört uns mittler- weile das Firmengebäude, was uns mehr Sicher- heit gibt. Von den Kunden bekommen wir auch positives Feedback zu unserem Pilotenteam und unserem Auftreten in der Öffentlichkeit.

ROTOR: Und wenn du zurückblickst: Hast du alle Ziele erreicht, die du dir gesteckt hast?
Kirsten:
Ich glaube schon. Am Anfang ging es dar- um, diesen riesigen Berg an Wissen zu erklimmen und irgendwann das Gipfelkreuz zu erreichen. 2009 bin ich als Apothekerin und Mutter von drei Kindern ins Unternehmen gekommen und habe sofort festgestellt: Da gibt es einiges, was ich nochnicht weiß! Nach ca. zwei Jahren saß ich schon recht fest im Sattel. Es ist gut, möglichst alle Prozesse bei VARIO zu kennen und zu verstehen. Nur so kann ich sie verbessern. Wir sind ein kleines Unternehmen mit einem großen Output und sehr vielen unter- schiedlichen Aufgaben, die jeden Tag anfallen. Das glaubt kaum jemand, der das von außen betrachtet.

ROTOR: Du hast VARIO ja sozusagen deinen »Stempel« aufgedrückt. Was ist typisch »Kirsten« bei VARIO, das für deine Werte oder Ansprüche steht?
Kirsten:
Dazu gehört zum Beispiel das Betriebs- klima, denn es ist mir sehr wichtig, dass sich alle Mitarbeiter wohlfühlen und alle freundlich mitein- ander umgehen. Ich bin grundsätzlich ein Mensch, der ein gutes Betriebsklima braucht.

ROTOR: Wenn du dir die heutige Szene an- schaust. Was hat sich alles verändert? 
Kirsten:
Die »Szene« sind Modellbauer, bei denen das Netzwerken einen großer Teil des Hobbys ausmacht. Die allermeisten unserer Kunden jedoch machen das Hobby für sich und sind oft noch nicht einmal einem Verein angebunden. Alle Menschen sind spürbar von Krieg, Covid und dem Klimawan- del beeinflusst.

ROTOR: Und wenn du dir den Markt in den letzten Jahren allgemein betrachtet – was fällt dir so auf?
Kirsten:
Nun, die »Corona-Zeit« war der Wahn- sinn. Wir kamen teilweise mit den Bestellungen nicht mehr nach. Auffällig war, dass wir teilweise Ersatzteile und Komponenten verschickt haben, die schon lange nicht mehr nachgefragt wurden. Positiv aufgefallen ist in den letzten Jahren, dass wir interessanterweise viele internationale B-to- B-Anfragen bekommen. Dies ist auch ein Zeichen dafür, dass unsere Online-Arbeit erfolgreich ist und wir im Internet gut gefunden werden.

ROTOR: VARIO setzt also weiterhin auf ein internationales Händlernetz? Viele Firmen entscheiden sich mittlerweile ja für einen Direktvertrieb.
Kirsten:
Manche unserer Produkte können bera- tungsintensiv sein und die Beratung findet am bes- ten in der Muttersprache statt. Ein Beispiel: Kürz- lich ist unser japanischer Händler Takeshi Tamura nach 25 Jahren in den Ruhestand gegangen. Es stellte sich heraus, dass die Japaner Berührungs- ängste mit uns hatten. Es gab sowohl kulturelle als auch sprachliche Hürden. Jetzt haben wir aber wieder einen Händler dort, einen alten Bekann- ten, der uns schon bei den ersten Kundenanfragen geholfen hat. Überhaupt sind unsere Händler sehr unterstützend.

ROTOR: Die Szene hat sich auch grundle- gend verändert. Viele namhafte Hersteller haben die Szene verlassen. Wie sieht eure Strategie aus, um wettbewerbsfähig zu bleiben?
Kirsten:
Viel automatisieren! Das klingt zunächst einfach, aber dahinter steckt eine Menge Arbeit. Gerade wenn wir mit Softwarepartnern arbeiten, ist das manchmal sehr aufwendig. Wir haben zum Beispiel auf eine Online-Versandsoftware umgestellt, und die läuft seit einem halben Jahr immer noch nicht reibungslos. Aber das ist ein Thema, das jeder kennt, der Software mit vielen Schnittstellen hat. Oft ist es einfach frustrierend, mühsam und lang- wierig.

ROTOR: Bleibt euer Kerngeschäft der Sca- le-Modellbau oder wird VARIO in Zukunft verstärkt auch in anderen Bereichen – wie beispielsweise dem Drohnenbereich – tätig sein?
Kirsten: Das mit den Drohnen ist ein anderes Ge- schäftsfeld. Wir haben auch Helikopterdrohnen im Angebot, fokussieren uns aber auf den Scale-Mo-dellbau. Wir haben eine enorme Vielfalt an Model- len, die mit viel Verstand und stetig zunehmender Erfahrung entwickelt werden. Mit dieser Erfahrung sind wir auch ein attraktiver Partner für die Indust- rie. Hier greift man gerne auf unseren Service und das Know-how zurück. Es ist eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe.

ROTOR: Wie steht es eigentlich mit dem Firmengründer Uli Streich? Gibt es noch Kontakt?
Kirsten: Uli Streich war bei der Jubiläumsfeier dabei. Er kam den Berg hoch (Anm. d. Red.: Die Zufahrt auf das Gelände der Firma erfolgt über einen kleinen Anstieg.) und dann habe ich ihn erst einmal umarmt – ich glaube, er wusste gar nicht, wie ihm geschah. Ich habe mich riesig gefreut, dass er uns besucht hat. Er hat sich viel mit Liefe- ranten und auch Kunden unterhalten, die früher mit ihm zu tun hatten. Auch ich habe mit ihm ein längeres Gespräch geführt. Im Großen und Ganzen lebt er sein Leben und ich hoffe, dass er es sich gut gehen lässt. Ansonsten haben wir nicht so viele Berührungspunkte und sehen uns eher selten.

ROTOR: Anfang Mai habt Ihr auf dem Firmengelände in Gräfendorf eine 50-Jahr- Feier veranstaltet. Sind weitere Highlights zum Jubiläum geplant?
Kirsten: Wir haben für die 50-Jahr-Feier einiges vorbereitet, zum Beispiel einen wunderbaren Zeit- strahl mit vielen Infos und Bildern, der entlang des Firmengebäudes aufgehängt wurde. Jeder, der uns besucht, wird diesen besichtigen können. Es wird auch besondere Videos von der Feier geben, die teil- weise gerade noch fertig produziert werden und viele Fotos, die bei der Veranstaltung gemacht wur- den, werden wir in Kürze veröffentlichen.

ROTOR: Ein kurzer Blick auf Eure Modell- neuheiten? Neben dem großen Chinook wurde auch die 600er-Lama vorgestellt. Was ist noch in der Pipeline? Kannst Du uns etwas darüber verraten?
Kirsten: Öffentlich haben wir vor kurzem eine neue H145 bzw. EC145 im Maßstab 1 : 4 gemacht, die gerade in Arbeit ist. Wir haben viele Pläne, aber wenn wir zu früh damit rausgehen, bekommen wir zu viele Anfragen. Deshalb verrate ich nicht mehr. Wir haben viele tolle Ideen! Langweilig wird es bei VARIO nie.

ROTOR: Kirsten, vielen Dank für das Inter- view und weiterhin viel Erfolg für dich und VARIO.

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